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Geschichte des Streuobstes

Heute verbinden wir mit dem Streuobstbau Gedanken an Naturschutz und wertvolle, extensiv genutzte Lebensräume. Ihre Entstehung reicht in eine Zeit zurück, in der sie mit dem Ziel etabliert wurden, das Land intensiver zu nutzen. Man schaffte ein doppeltes Anbausystem: unten Gras oder Acker, oben der Baum.

Angefangen hat alles mit den Römern, die den Obstbau mit Kulturformen in ihre germanischen Kolonien brachten. Bis zum 15. Jahrhundert beschränkte sich der Obstbau im Deutschen Reich aber auf die nähere Umgebung der Siedlungen. Vorbilder waren die Obstgärten der karolingischen Kammergüter und Meierhöfe sowie der Klöster.

Im 15. und 16. Jahrhundert begann sich der Obstbau unter der Förderung der Landesherren in die freie Landschaft auszudehnen. Im 30-jährigen Krieg wurden jedoch zahlreiche Pflanzungen wieder zerstört oder verkamen aufgrund der mangelnden Pflege durch die Dezimierung der Bevölkerung. Ende des 18. Jahrhunderts begann dann der Neuaufbau des Obstbaus aufgrund sog. Generalskripte, in denen vorgeschrieben wurde, wie viele Obstbäume jeder Bürger wo zu pflanzen hatte. Der Übergang zum Obstbau war allerdings nicht ganz einfach, er musste der Bevölkerung in vielen Landesteilen unter heftigem Widerstreben aufgezwungen werden, da er der Pflugarbeit hinderlich war. Zunächst entstanden nämlich Baumäcker, die erst später in die heute üblichen Baumwiesen umgewandelt wurden.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam der Obstbau auf schwachwüchsigen Unterlagen mit kleinkronigen Bäumen auf. Der Erwerbsobstbau orientierte sich langsam um. Von der Doppelnutzung hin zum Plantagenanbau.

Bis zum Beginn des 2. Weltkriegs nahmen die Baumzahlen in Baden-Württemberg dennoch kontinuierlich zu. Im 2. Weltkrieg kam es zu erheblichen Bestandseinbußen, die jedoch bis Mitte der 50er Jahre wieder ausgeglichen wurden. Seit Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts stellte man den Erwerbsobstbau intensiv um und die Hochstamm - Baumzahlen nahmen rapide ab (von rund 18 Millionen 1965 auf ca. 11 Millionen 1990, ca. 9 Millionen 2005 und ca. 7 Millionen 2015). Gründe dafür sind z.B.

  • die zunehmende Intensivierung, Mechanisierung und Spezialisierung der Landwirtschaft,
  • der Rückgang der Familiengrößen und das geringe Interesse an Selbstversorgung,
  • die Umorientierung des Handels auf Import von Obst und Apfelsaft,
  • die Förderung des niederstämmigen Obstbaus in Plantagen,
  • die Rodungsprämien für Hochstammobstbäume,
  • die Bebauung der Ortsränder,
  • die damit einhergehend fehlenden Nachpflanzungen von Hochstammobstbäumen.

Der Obstbau konzentrierte sich von nun an auf Niederstammplantagen in den Obstbaugebieten. Auch die Obstalleen verschwanden zum großen Teil in den westlichen Bundesländern schnell aus der Landschaft. In den „Emser Beschlüssen“ von 1953 wurde festgelegt: „Streuanbau, Straßenobstbau und Mischkultur sind zu verwerfen“.

Das Bewusstsein der Bevölkerung für die Schönheit und Besonderheit dieses Lebensraums stieg wieder Mitte der 1980er Jahre.


„Die Baumzucht verschafft denjenigen, die sich damit bemühen, einen angenehmen Teil der Nahrung. Sie gereicht zur Zierde eines Landes, zur Reinigung der Luft, zum Schutz und Schatten für Mensch und Vieh, und hat überhaupt in vielen anderen Dingen ihren trefflichen Nutzen."


Johann Kaspar Schiller, der Vater von Friedrich Schiller, 1776

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